Wer, wie, was. Testräder und Testablauf. Entwicklungspotenziale im Lasten Pedelec Markt. Spezielle Anforderungen an Antriebe. Motorposition und Schaltung. Lenkung und allgemeine Fahreigenschaften.
Lasten Pedelecs sind so etwas wie das „Yes, we can“ der Fahrradbranche: Wo das Fahrrad in puncto Ladekapazität oder Distanz nicht mehr ausreicht, beginnt bei einem Lasten Pedelec erst der Spaß. Deshalb ist auch in keinem anderen Segment des Fahrradmarkts die Elektrifizierung so sinnvoll. Es verwundert kaum, dass diese Produktgruppe zum medialen Shootingstar geworden ist. Die Angebotsvielfalt wächst derzeit rasant. Ob für Familien, Lieferdienste oder Handwerk - für unzählige Anwendungen gibt es das passende Lasten Pedelec auf zwei oder drei Rädern. Die Vorteile liegen auf der Hand: Transporte mit dem Lasten Pedelec sind günstig, flott und umweltfreundlich.
Auch das Potenzial ist riesig. Je nach Modell finden ein bis vier Kinder plus Einkauf auf dem Lasten Pedelec Platz. Für den gewerblichen Einsatz gibt es eine Vielzahl an Aufbauten und Schwertransporter mit bis zu 300 Kilogramm Zuladung auf der Europalette. In Städten könnten laut einer Studie des EU-geförderten Projekts „Cyclelogistics“ mit Hilfe von Lasten Pedelecs insgesamt mehr als die Hälfte aller motorisierten Transporte auf Fahrräder verlagert werden. Aber auch auf dem Land sind Lasten Pedelecs attraktiv: In Pedelec 45 Version werden auch 15 Kilometer zum Supermarkt und der Rückweg mit Wocheneinkauf zum Fahrspaß.
All das war für ExtraEnergy Grund genug, mit Unterstützung von Wasilis von Rauch (e-Rad Hafen) und Arne Behrensen (cargobike.jetzt) den Sondertest Lasten Pedelecs 2016 zu organisieren.
Oberstes Ziel des Tests ist es, Ihnen als Leserinnen und Lesern kompetente Hinweise für die Auswahl eines passenden Lasten Pedelecs zu geben. Zudem liegt uns an der Optimierung der Produkte und an einem positiven Lerneffekt für die Hersteller. Gemeinsam mit den Testfahrern, die allesamt Lasten Pedelec Experten sind, wurden zahlreiche Verbesserungsmöglichkeiten an den Rädern erkannt, mit den Herstellern diskutiert und in vielen Fällen bereits umgesetzt. Zu guter Letzt soll diese zur EUROBIKE erscheinende dreisprachige Testpublikation sowie weitere Partnerpublikationen und Medienberichte über den Test (z.B. in der Süddeutschen Zeitung, der Deutschen Handwerks Zeitung und der BIKE BILD) die Bekanntheit von Lasten Pedelecs steigern und dem Markt einen weiteren, spürbaren Schub geben. ExtraEnergy schätzt das Potential für Lasten Pedelecs in Deutschland auf etwa jedes fünfte Pedelec. Das könnten also schon in wenigen Jahren jährlich rund eine Millionen Exemplare sein, da ExtraEnergy den Deutschen Markt mit jährlich 5 Millionen verkauften Einheiten als erwachsenen Markt ansieht. 2016 schätzt ExtraEnergy den Verkauf in Deutschland noch auf rund 900.000 bis eine Millionen ein und weltweit mit dem dominanten chinesischen Markt auf rund 36 Millionen Einheiten. 10 Lasten Pedelecs aus dem ExtraEnergy Test nahmen anschließend auch am Test der BIKE BILD teil, deren Erstausgabe ebenfalls zur EUROBIKE 2016 erschien.
Testräder und Testablauf Mit 12 Testrädern und einem Prototyp haben wir das Testfeld des ersten Lasten Pedelec Tests von ExtraEnergy im Herbst 2013 nahezu verdoppelt. Einen Lasten Pedelec Test der aktuellen Größenordnung hat es zuvor noch nicht gegeben. Das Testfeld schafft einen sehr guten Überblick über die aktuelle Produktvielfalt der einspurigen Lasten Pedelecs. Ein Pedelec mit Anhänger, ein Prototyp eines mehrspuriger Kindertransporters und ein ebenfalls mehrspuriges Postrad für schwere Transporte ergänzen das Feld.
Um den unterschiedlichen Nutzungsformen der Räder gerecht zu werden, haben wir drei Produktgruppen mit einer Zuladekapazität von mindestens 50 Kilogramm definiert (zusätzlich zu Fahrer_in):
„Familie“ (Hauptzweck Kindertransport)
„Performance“ (Hauptmerkmale: schnell und ausdauernd)
„Gewerblich“ (Hauptzweck gewerbliche Transporte)
Eine vierte Produktgruppe wurde für besonders schwere gewerbliche Transporte als „Gewerblich 120 +“ definiert, hier müssen statt 50 mindestens 120 Kilogramm transportiert werden können.
Diesen vier Produktgruppen sind jeweils spezifische Kundenwunschprofile, Ausschlusskriterien und Mindestanforderungen zugeordnet. Je nachdem, welche Eigenschaften für eine bestimmte Nutzung besonders wichtig sind, werden bestimmte Faktoren wie Reichweite, Geschwindigkeit, Unterstützung oder Preis unterschiedlich stark gewichtet bzw. Mindestwerte festgelegt. Ein Testrad kann prinzipiell in mehreren Produktgruppen bewertet werden, wenn es deren spezifische Mindestanforderungen erfüllt. Zwei Dinge vorab: Für die Bewertung einer Produktgruppe sind mindestens drei Wettbewerber nötig. In die Produktgruppe „Performance“ fielen mit den beiden Pedelecs 45, dem „Load“ von Riese & Müller und dem „Rapid“ der Radkutsche nur zwei der Testräder. Deswegen konnte in dieser Produktgruppe leider kein Testsieger gekürt und keine Siegel vergeben werden. Dafür haben es zwei einspurige Lasten Pedelecs, das Urban Arrow „Family“ und das trioBike „Cargo-E“ in die Produktgruppe „Gewerblich 120kg+“ geschafft und konnten mit dem mehrspurigen CDS E-Trike VS 3E um Testsieg und -siegel konkurrieren.
Mit der Definition der vier Produktgruppen für Lasten Pedelecs, ihrer Kundenwunschprofile, Mindestanforderungen und Ausschlusskriterien hat ExtraEnergy Neuland betreten. Es handelt sich hier um einen ersten Versuch, dem breiten Spektrum der Lasten Pedelecs und ihrer Anwendungen gerecht zu werden. Schon im Laufe des Tests tauchten erste Fragen auf, die bei dem nächsten Expertenkreis, der die Gewichtung und die Ausschlusskriterien für die Produktgruppen festlegt, diskutiert werden . Aktuelle Fragen sind z.B.: Sollen Lasten Pedelecs 45 in den Produktgruppen „Family“ und „Gewerblich“ mitlaufen, oder wegen erforderlicher Fahrerlaubnis und Radwegeverbot nur in der Produktgruppe „Performance“ bewertet werden? Ist die Mindestzuladung von 120 Kilogramm die richtige Größe zur Abgrenzung einer Produktgruppe für schwere gewerbliche Lasten? Braucht es separate Produktgruppen für ein- und mehrspurige Lasten Pedelecs? Wie können Qualität und Vielfalt der Aufbauten im Vergleich zur Qualität des Antriebs besser im Testergebnis abgebildet werden? Der Fahrtest Sieben Testfahrer haben die Räder auf den bewährten 14,7 km langen ExtraEnergy Teststrecken gefahren – jeweils einmal mit und einmal ohne Last. Als Last dienten 50 Kilogramm Holzbriketts, die in einem Fall (Testrad Kranich von Utopia) auf einen Anhänger geladen wurden. Bei einem weiteren Testrad („Get 2s plus“ von Gobax) wurden „nur“ 30 Kilogramm in die Gepäckträger-Box geladen, was dem üblichen Einsatzzweck des Rades und der Zulassung des Gepäckträgers entspricht (mit einem Anhänger hätten auch hier 50 Kilogramm und mehr transportiert werden können). Während der Fahrten wurden Geschwindigkeit, Leistung des Fahrers und Stromverbrauch des Antriebs gemessen. Damit konnten die jeweils spezifischen Werte für die Reichweite, den Unterstützungsfaktor und die Durchschnittsgeschwindigkeit auf drei verschiedenen Streckenabschnitten (Tour, Berg und Stadt) bestimmt werden. Diese Werte sind in den Testbriefen einzeln für jedes Rad angegeben. Erfreulich ist, dass alle Räder die bis 17% steile Teststrecke mit 50 Kilogramm beladen gemeistert haben, ohne dabei ans Limit ihrer E-Antriebe zu stoßen. Das mehrspurige Postrad wurde entsprechend der Zulassung auch mit 100 Kilogramm beladen und getestet. Anders als 2013 gab es bei den E-Antrieben weder Ausfälle noch böse Überraschungen. Die Akku-Reichweiten und Unterstützungswerte sind im aktuellen Testfeld deutlich stärker. Die E-Antriebe von Lasten Pedelecs haben also insgesamt einen deutlichen Qualitätssprung nach vorne gemacht. Bei der Montage einiger Komponenten waren Verbesserungen nötig. An einem Testrad brach die Halterung einer Bremsscheibe. Die unzureichende Befestigung wurde im Nachgang für die gesamte Produktion ausgebessert. An einem anderen Rad war die Anordnung der Steuerelemente am Lenker unpraktisch und wurde verändert. In einem separat durchgeführten Ergonomietest wurde die Alltagstauglichkeit der Räder bewertet. Die Aufbauten für private und gewerbliche Nutzungen haben wir begutachtet und greifen relevante Aspekte in den Testbriefen zu den Rädern auf. Zusätzlich gibt es zum Thema Kindertransport und Lastentransport gesonderte Texte. Über die Langlebigkeit der Räder und Komponenten kann der Test dagegen keine Aussagen treffen. Auch Bremsleistung und Rahmenstabilität wurden nicht getestet, weil hierfür Tests in einem technischen Prüflabor nötig sind. Allerdings fanden im Rahmen der angeschlossenen Tests bei der BIKE BILD Brems- sowie Fahrstabilitäts-Tests bei velotech.de statt, die zahlreiche Veränderungen angestoßen haben. Alle Infos und Testergebnisse zum Lasten Pedelec Test 2016 im Magazin unter: Text: Arne Behrensen, Hannes Neupert, Wasilis von Rauch Bild: Hannes Neupert Online Publikation: Angela Budde Datum: 9. Oktober 2016
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